Rede im Verkehrsausschuss am 21.3.22

Aus gegebenem Anlass hier mein Beitrag im Verkehrsausschuss im März 2022 zum Ersatzverkehr während der S6-Sperrung. Trotz der lobenden Worte mehrerer Stadtverordneter und dem Versprechen des damaligen Verkehrsdezernenten sieht der Ersatzverkehr, der am 2.1.2024 beginnt und 6 Wochen dauert, genauso miserabel aus.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich spreche zur Missachtung des Stadtverordnetenbeschlusses 6435 vom 1.10.2020. Ziel des Beschlusses war, dass die Fahrgäste aus Harheim und Nieder-Erlenbach während der Sperrung des S-Bahnhaltes Berkersheim im Zuge des 4-gleisigen Ausbaus den weit entfernt eingerichteten SEV Am Kalten Berg erreichen können. (Ich hatte Sie bereits im Februar angeschrieben, danke an die CDU für die Antwort).

Ich dachte bisher, es wäre Aufgabe des jeweiligen Dezernates Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung umzusetzen – aber vielleicht habe ich tatsächlich mal in meinem Politikstudium nicht aufgepasst.

Inzwischen haben Sie im Dezernat vermutlich die A 42 beantwortet, warten aber darauf, sie in den Geschäftsgang zu geben, bis der Bahnübergang Berkersheim geschlossen ist und Sie jetzt sagen können: Sorry, Beschluss nicht umsetzbar, weil Gleise überqueren nicht mehr möglich ist. Auf den Gedanken, eine andere Lösung für die Fahrgäste zu finden, sind sie in all der Zeit nicht gekommen.

Seit 4 Jahren finden diese mehrmonatigen Sperrungen der S6 statt. Nie gab es für die Fahrgäste aus Nieder-Erlenbach und Harheim einen angemessenen Ersatzverkehr in Richtung Karben/ Friedberg.

Die nördlichen Frankfurter Stadtteile sind mit Bad Vilbel und der Wetterau eng verbunden. Wir nutzen die Infrastruktur im nahen, nur 1 S-Bahnhaltestelle entfernten Bad Vilbel, weil es bei uns kaum Infrastruktur gibt. So hat Harheim seit Jahren keinen Bankautomat, keine Drogerie, keine Fachärzte, keine Bücherei etc.

Viele Kinder bei uns gehen in Bad Vilbel zur Schule und entlasten damit die Frankfurter Schulen. Viele BürgerInnen, die zu uns gezogen sind, taten das, weil sie z.B. nach Karben zur Arbeit pendeln.

Ein Ersatzverkehr ist kein Almosen. Ein RMV-Jahresticket nach Friedberg kostet 1.900 Euro. Dennoch hält es der Magistrat der Stadt Frankfurt auch im 4. Jahr des S-Bahnausbaus nicht für nötig, einen erreichbaren Schienenersatzverkehr einzurichten. Stattdessen schlägt er vor, die Fahrgäste mögen auf vorhandene Buslinien umsteigen. Das bedeutet für den Fahrgast eine Verdrei- bis Vervierfachung des Fahrweges und ist unzumutbar. Warum hat sich nmd. aus dem Dezernat 5 Minuten Zeit genommen, um das auf RMV.de zu prüfen?

Die Jugendlichen aus unseren Stadtteilen machen fast alle mit 17 den Führerschein. Das ist auch das Ergebnis falscher städtischer Verkehrspolitik. Wer den Stadtrand vergisst, hat Verkehrswende nicht verstanden. Danke.

21.3.22

Ludwig-Börne-Preis 2023 an Robert Habeck

Der Oberbürgermeister Mike Josef kam pünktlich, der Preisträger Robert Habeck trug keine Krawatte und die Gäste wurden mit Wasserfläschchen beschenkt, da die Paulskirche nicht klimatisiert ist und eine Temperatur von 32 Grad angekündigt war.

Auch sonst war einiges anders bei dieser Ludwig-Börne-Preis-Verleihung: Keine Musik, keine von einem Schauspieler vorgetragenen Börne-Zitate, stattdessen nach der Preisverleihung eine kurze Gesprächsrunde zwischen dem Laudator Jürgen Kaube (FAZ), dem Preisträger Robert Habeck und dem Vorsitzenden der Ludwig-Börne-Stiftung Dr. Michael Gotthelf.

Letzterer eröffnete die Veranstaltung mit den Worten: Schön, dass wir uns doch wieder in der Paulskirche treffen, das war ja nach der letzten Preisverleihung nicht sicher.

Hintergrund ist ein Eklat anlässlich der Preisverleihung an Erik Gujer im vergangenen Jahr. Dieser Verleihung war die Kulturdezernentin und aktuelle Frankfurter SPD-Chefin ferngeblieben, weil ihr der Preisträger missfiel. Nun muss man wissen, dass der Preis nicht von der Stadt verliehen wird, das Preisgeld wird von Privatleuten gestiftet und Frau Hartwig sitzt nur qua Amt als Dezernentin im Vorstand der Stiftung. Dennoch hatte sie im letzten Jahr die Forderung aufgestellt, dass das Vergabeverfahren geändert wird und eine „kompetente Jury“ eingesetzt werden soll, um den Preisträger auszuwählen (mehr dazu hier: „Halbdistanz erhöht die Sehschärfe“).

Nun, auch in diesem Jahre erschien Kulturdezernentin Ina Hartwig nicht, obwohl doch statt eines FDP-Mannes ein Grüner den Preis erhielt, wie Herr Gotthelf mit verständlicher Süffisanz bemerkte.

Zur ausführlicheren Berichterstattung über die Preisverleihung geht es hier zu FAZ und taz.

Vor der Paulskirche demonstrierte bzw. brüllte eine kleine Gruppe um den ehemaligen BFF-Stadtverordneten Wolfgang Hübner mit Querdenkern von der Basis. Mitanmelder der Demo war BIG, eine Migrantenpartei mit Mitgliedern überwiegend türkischer Herkunft, die sich nach der letzten Kommunalwahl zur Erlangung von Fraktionsgeldern mit der BFF zusammen getan hat. Wer dazu mehr wissen will, sollte diesen Artikel in der Frankfurter Rundschau lesen: Gespaltene Zunge.

„Es reicht der Anschein der Käuflichkeit“

Peter Feldmann wegen Vorteilsnahme im Amt verurteilt

Die Abwahl des Oberbürgermeisters Peter Feldmann wurde von einem großen Teil meiner Twitter-Community und von der Presse wegen des hohen Quorums als fast unmöglich dargestellt. Man riet den AktivistInnen, z.B. der #FraumitdemSchild und uns UnterstützerInnen doch einfach die Parteien machen zu lassen. Man nannte uns Pseudoaktivisten. Manche Fotografen, die zu den Demos auf dem Römerberg kamen, machten lieber Fotos von den Buben der Spaßpartei, die versuchten, die Sprecherin der Demo niederzubrüllen.

Ja nun, lustig war gestern.

Peter Feldmann wurde heute wegen Vorteilsnahme im Amt zu 120 Tagessätzen à 175 Euro verurteilt. Wird das Urteil rechtskräftig, ist der Ex-OB vorbestraft.

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„Reicht das Geschmäckle aus?“

Diese Frage warf Feldmanns Verteidiger Hofferbert am vergangenen Mittwoch den nach der Verhandlung vor dem Gerichtsgebäude wartenden Pressevertretern zu. Nun, es kommt in diesem Prozess vieles ans Licht, das mehr als nur einen Beigeschmack des Unkorrekten hat.

Die Zeugin Daniela Birkenfeld z.B., ehemalige Sozialdezernentin und heute noch ehrenamtliche Stadträtin in Frankfurt, gab in ihrer Vernehmung auf kaum eine Frage eine spontane Antwort, sondern befragte zuerst ihren anwaltlichen Beistand. Ihre Zeugenaussage war relevant, weil der Angeklagte sie im Mai 2018 während einer Theaterpause auf die wegen falscher Abrechnungen geplante Vertragsauflösung mit der AWO angesprochen hatte und sie aufforderte, sich „mit der AWO zu einigen“. Birkenfeld betonte, dass Feldmann nach diesem kurzen Gespräch nicht weiter insistiert habe. Am vergangenen Prozesstag wurden vom Gericht elektronische Nachrichten der Beteiligten verlesen, darunter eine E-Mail von Jürgen Richter an Daniela Birkenfeld: „Wir sollten mit einer Stimme sprechen und uns nicht von Daniel Gräber (ehem. FNP-Reporter, der den AWO-Skandal ins Rollen brachte, dazu unbedingt empfehlenswert: Drehscheibe) auseinander dividieren lassen.“

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Super, danke, Bruderkuss!

Ist Peter Feldmann korrupt? Das versucht das Frankfurter Landgericht unter dem Vorsitzenden Richter Gröschel seit sechs Verhandlungstagen herauszufinden. Weil die Zeugenbefragungen länger dauern als erwartet, hat das Gericht weitere Verhandlungstage reserviert.

Ich habe bereits auf Twitter aus der Verhandlung zitiert, die Presse hat natürlich ausführlich berichtet, deshalb möchte ich hier nur meinen persönlichen Eindruck schildern.

Die Strategie von Peter Feldmann und seinen Verteidigern war zu Beginn des Prozesses darauf ausgelegt, einem Korruptionsvorwurf insofern zu begegnen, als Feldmann keinen Grund gehabt hätte, seine „Liebschaft“ zu fördern. Mit diesem Argument – untermauert mit unappetitlichen privaten Details – hat er seine OB-Abwahl massiv unterstützt, sind doch die Bilder der Traumhochzeit in Höchst und die vielen verliebten Blicke der beiden noch im kollektiven Gedächtnis der FrankfurtInnen erhalten.

Hannelore Richter, die mit ihrem Mann Jürgen Richter im Mittelpunkt des AWO-Skandals in Frankfurt und Wiesbaden steht (siehe auch hier: KLICK), hat in ihrer Vernehmung diese Strategie unterstützt. Peter Feldmann hatte nach ihrer Aussage ständig neue Freundinnen, sie hätte nie erwartet, dass er Z. heiratet.

Nach dem Verhältnis zu Feldmann befragt, erzählt sie von der gemeinsamen Jugend bei den Falken, später habe man sich aus den Augen verloren. 2008 rief Feldmann bei den Richters an und sagte, er müsse bei seinem aktuellen Arbeitgeber, dem paritätischen Wohlfahrtsverband, aufhören und bat die Richters um einen Job bei der AWO. Hannelore Richter traf sich mit ihm und brachte eine AWO-Broschüre mit, aus der er sich seinen zukünftigen Arbeitsbereich aussuchen durfte.

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Dinge, die du über deinen Oberbürgermeister nicht wissen willst

Dazu gehört der Hormonstatus des 64-jährigen Feldmann nach dem Anblick von Flugbegleiterinnen. Noch weniger aber will man solche Details über die Beziehung zur Freundin und späteren Gattin von OB Feldmann wissen, wie sie heute, am zweiten Verhandlungstag, von seinem Anwalt Hofferbert vorgetragen wurden.

Am vergangenen Dienstag, 18.10.22, war die Anklage im Korruptionsverfahren gegen den Oberbürgermeister von Frankfurt Peter Feldmann verlesen worden. Elektronische Nachrichten zwischen Hannelore Richter, damals Leiterin des AWO-Kreisverbandes Wiesbaden, und Peter Feldmann wurden vorgetragen, die belegen sollten, dass es ein stillschweigendes Übereinkommen zwischen den beiden gegeben hat. Inhalt dieser Übereinkunft war, dass Feldmann und seine damalige Freundin und spätere Frau Vergünstigungen erhalten, wenn Feldmann im Gegenzug in seiner Rolle als Stadtoberhaupt die Interessen der Arbeiterwohlfahrt im Blick hat.

Hannelore Richter schreibt z.B. an Feldmann, nachdem die Frankfurter Neue Presse erstmals über mögliche Veruntreuung von städtischen Geldern in von der AWO betriebenen Flüchtlingsheimen berichtet hat, an Feldmann: „Ich wollte mich eigentlich bei der Stadt beschweren, aber nein: Ich werde mich mit meinem Oberbürgermeister ins Café Mozart setzen.“ Und der antwortet: „Wir treffen uns, liebe und rote Grüße, dein Peter.“

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Buchmesse 2022

„Buchmesse ist wie Urlaub“ – sagte vor ein paar Tagen meine Tochter. Und tatsächlich geht es mir ähnlich. Die Vorfreude beginnt mit dem Durchforsten des Veranstaltungskalenders. Suchbegriffe: Literatur, Politik, Sachbuch, Interviews, Lesungen. Welche LieblingsautorInnen sind vertreten, wo kann man den oder die Trägerin des Deutschen Buchpreises treffen? Drei bis vier Tage interessiert mich nur die Welt auf dem Frankfurter Messegelände. Rolltreppe rauf, Rolltreppe runter, über den Platz hetzen zum ARD-Forum und schon wieder nur Yoga-Tee im Lesezelt!

Über die Jahre und Jahrzehnte verändern sich Vorlieben und Interessen. Während ich früher kaum eine Veranstaltung mit Precht, Welzer und Augstein verpasste, weil ich mich vor allem für die deutsche Gesellschaft und ihr Veränderungspotential interessierte, stand in diesem Jahr selbstverständlich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine im Vordergrund. Das Gespräch mit Karl Schlögel („Entscheidung in Kiew: Ukrainische Lektionen“) und der in Kasachstan geborenen Filmemacherin Julia Boxler ist als Video auf der Webseite des Hessischen Rundfunks online: KLICK. Sehr aufschlussreich war auch das Interview mit Steffen Dobbert über sein Buch „Ukraine verstehen“ bei der FAZ, das ich umgehend mit einer freundlichen Widmung erwarb.

Das Blaue Sofa ist eine der wichtigsten Bühnen und die Sitze für die ZuhörerInnen sind relativ bequem – was an langen Buchmessetagen auch ein wichtiger Faktor ist. Takis Würger, der 2019 mit seinem Buch „Stella“ für einen kleinen Skandal im Feuilleton sorgte, stellte seinen neuen Roman „Unschuld“ vor. (Link zum Blauen Sofa)

Und wie immer war die Messe reich an Momenten, die man nicht vergisst: Ein Promi-Paar, dass sich zufällig im ARD-Forum trifft und umarmt, sie Moderatorin, er hat gerade seine Biographie veröffentlicht. Die Cosplayer in ihren verrückten Kostümen (die sich aber nicht mehr gern fotografieren lassen), der Blick von der Dachterrasse über die Skyline, auf der man oft Moderatoren von Kultursendungen trifft – todschick in ihren engen Anzügen, die man sonst eher in Berlin und selten in Frankfurt sieht.

Nach der Buchmesse folgen bald die kurzen, kalten Tage und die langen Abende, in denen wir uns endlich der Lektüre widmen können.

Frankfurt sagt Ja! – Feldmann-Abwahl am 6.11.22

Warum wählt Frankfurt den Oberbürgermeister Peter Feldmann am 6. November ab? Nun, hauptsächlich, weil eine Person, die sich wegen Korruptionsverdacht vor Gericht verteidigen muss, als oberster Repräsentant der fünftgrößten Stadt untragbar ist. Aber schon vor der AWO-Affäre gab es Gründe, an Peter Feldmanns Glaubwürdigkeit zu zweifeln, einige kann man in meinem Brief an OB Feldmann nachlesen: KLICK.

Als im März bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Frankfurts Oberbürgermeister Feldmann erhoben hat, hätte ich keinen Cent darauf gewettet, dass er im Oktober noch immer im Amt ist. Ich bin selbstverständlich davon ausgegangen, dass er den Anstand hat, umgehend zurückzutreten. Heute wissen alle, dass das Wort des OB keinen Pfifferling mehr wert ist.

Anfang Juli hat Feldmann in einer Pressekonferenz seinen Rücktritt für Anfang Januar 2023 verkündet, aber schon wenige Tage später änderte er seine Bedingungen, unter denen er dies tun werde. Deshalb hat die Stadtverordnetenversammlung am 14.7.22 den Oberbürgermeister Peter Feldmann mit großer Mehrheit abgewählt. Weil der aber den Rücktrittstermin verstreichen ließ, müssen ihn die Bürger nun abwählen. Die Hürden sind hoch, mindestens 30 Prozent der Wahlberechtigten müssen zur Wahl gehen bzw. per Briefwahl abstimmen.

Einige Stadtverordnete haben im Juli gegen die Abwahl Feldmanns gestimmt. Da die Abstimmung namentlich erfolgte, können die Beratungsergebnisse auf Parlis eingesehen werden: Klick zu Parlis

Die Gründe, weshalb diese wenigen – überwiegend linken – Stadtverordneten die Abwahl abgelehnt haben, waren auf Twitter und in der Presse nachzulesen und lassen sich auf die kurze Formel bringen: „Wer weiß, was nach ihm kommt“.

Was danach kommt, entscheidet der Souverän und dass liebe FrankfurterInnen seit Ihr. Deshalb geht hin und wählt am 6.11.22 für Frankfurt.