Ich weiß nicht mehr, ob die Anzeige im Pflasterstrand (Vorgänger der Frankfurter Monatszeitschrift „Journal“) oder in der Emma stand, vielleicht auch in der Courage. Letztere galt als die intellektuellere der beiden bundesweit erscheinenden feministischen Zeitungen – heute würde ich sagen, Courage hatte vor allem mehr Schwurbelpotential. Frauen die Courage lasen, glaubten an Avalon, Mystik und daran, dass Frauen die besseren Menschen waren. Ich vermute, der esoterische Arm der Frauenbewegung hat einen großen Anteil daran, dass es heute soviel Geistheilerinnen, Engels- und Craniosacral-Gläubige, Heilpraktikerinnen etc. gibt.
Die Anzeige erschien also 1982 oder 1983, darin wurde nach Gedichten für eine Veröffentlichung gesucht. Liebe LeserInnen, seid ehrlich: Habt Ihr mit 20 Gedichte geschrieben?
Ich hatte schon mit 12 mit dem Schreiben angefangen:
(Vorbei ist vorbei
die Welt bricht entzwei
die Liebe verschwindet
Wer heute sich bindet
ist morgen allein)
Nicht lachen!
Tatsächlich habe ich den Packen Gedichte aus meiner Jugend aufgehoben. Allerdings sind sie so sentimental, dass ich es hier bei obigem Frühwerk belasse.
Ich schickte also ein paar Blätter mit meinen Gedichten los, die Adresse war in Hildesheim, aufgrund des Vornamens dachte ich, die Anzeige sei von einer Frau. An den folgenden Briefwechsel erinnere ich mich nicht, aber irgendwann kam eine Ankündigung mit Terminvorschlag, dass im Sommer eine Reise des Herausgebers geplant sei zu allen Dichtern und Dichterinnen.