Kaum ein Satz bringt ein vom großen Bruder geprügeltes Kind mehr auf die Palme, als das von desinteressierten Eltern hingeworfene: „Vertragt Euch doch“. Zeigt es doch, dass die Erziehungsberechtigten kein Interesse haben, an Hergang, Motiven, Übergriffen und Gerechtigkeit – sondern nur eins wollen: Ihre Ruhe.
Im offenen Brief, der gerade in der EMMA erschienen ist, wird Olaf Scholz aufgefordert, keine schweren Waffen an die Ukraine zu liefern. Und der Geist des Schreibens erinnert mich sehr an die oben genannte Haltung.
„Wir bitten Sie (…) dringlich, alles dazu beizutragen, dass es so schnell wie möglich zu einem Waffenstillstand kommen kann; zu einem Kompromiss, den beide Seiten akzeptieren können.“
Wie sieht das die junge Feministin Inna Schevchenko, die 2011 nach Oben-Ohne-Protesten vor der KGB-Zentrale im belarussischen Minsk vom Geheimdienst verschleppt und gefoltert wurde?
„Dieser schreckliche Krieg wird von einem kleinen Mann mit gigantischen Machtambitionen und einem Durst nach Missbrauch geführt. »Like it or don’t like it, it’s your duty, my beauty« das sagte Putin bei einer der Pressekonferenzen, die seinem Angriff auf die Ukraine vorausgingen. Er zitierte einen bekannten, groben Vergewaltigungswitz. Die »Schönheit« Ukraine zu zwingen, sich ruhig hinzulegen und den Missbrauch hinzunehmen, das war schon seit einiger Zeit Putins Plan.“
Hier gehts zum Artikel der Femen-Aktivistin Inna Schevchenko im Spiegel: KLICK
Ein Kompromiss soll also her zwischen einem Aggressor/Diktator und einem Land auf dem Weg zur Demokratie bzw. zwischen dem Vergewaltiger und seinem Opfer – das ist die friedliebende Phantasie von einigen deutschen Intellektuellen und Künstlern. Es sind Unterzeichnerinnen darunter, deren Bücher ich sehr schätze, z.B. Svenja Flaßpöhler und Juli Zeh.
Aber Freiheit kostet. Auch uns, die wir uns gestört fühlen. Deshalb sage ich Ja zur uneingeschränkten Solidarität mit der Ukraine.