Schwarzbuch Esoterik – Teil 1

Meine Lieblingsvögel sind Eichelhäher. Ab und an sehe ich einen dieser Vögel fern seines eigentlichen Lebensraumes Wald in einem Stadtbaum sitzen. Dann denke ich: Oh, heute ist ein besonderer Tag, heute bin ich beschützt!

Es zeichnet den Menschen aus, dass er allen möglichen Erscheinungen, Dingen und Lebewesen Bedeutung zumessen kann. Kleine Kinder sind unbeirrbar in ihrem Glauben an Feen, Wichtel und unsichtbare Freunde. Wer sich als Erwachsener die Fähigkeit bewahrt hat, z.B. den Zauber eines einsamen Waldes zu empfinden, ist beneidenswert.

Empfindsamkeit und Vernunft widersprechen sich nicht. Was aber einander ausschließt, ist Esoterik und Vernunft.

Ursula Caberta, ehemalige Sektenbeauftragte von Hamburg, hat sich in ihrem „Schwarzbuch Esoterik“ mit den irrationalen Ideologien und den Gemeinsamkeiten von Esoterik, Okkultismus, Sekten und christlichen Fundamentalisten auseinandergesetzt. Eine Gefahr der weiteren Ausbreitung der übersinnlichen Ideologien liege in der gesellschaftlichen Entwicklung in Richtung politischen Irrationalismus, so Caberta.

Ich merke immer wieder, dass viele Leute gar nicht wissen, dass sie sich in esoterischen Zirkeln bewegen. Wenn Frauen sich etwas Gutes tun wollen, fängt das häufig mit dem Yoga-Kurs an, führt über die verschiedenen sogenannten Alternativmedizinen – deren Wirkungsweisen allesamt nicht nachvollziehbar sind, sondern geglaubt werden müssen – wie Akupunktur, Cranio-Sacral-Therapie, Homöopathie, Bachblütentherapie etc. und endet u.U. in den esoterischen Gedankengebäuden mit Engelsglaube, Channeling und Reinkarnationstherapie.

Die Begriffe Naturmedizin, sanfte, ganzheitliche oder alternative Medizin werden inzwischen kaum mehr hinterfragt, die Krankenkasse zahlt vieles und in der Apotheke liegen homöopathische Zuckerkügelchen im Regal. Der Kampfbegriff Schulmedizin wertet das ärztliche Können ab und Ärzte reagieren darauf, indem sie ihrerseits Geschäfte mit dem Übersinnlichen machen. Die Patienten wollen keine Medikamente? Wie wäre es mit der Eigenurintherapie, da bekommt der Patient sein eigenes körperliches Abfallprodukt gespritzt oder als Getränk gereicht – das bietet auch mein Arzt ohne schlechtes Gewissen an.

Dass die esoterische Medizin heute so viele Gläubige hat, liegt zweifellos an der Waldorf-Bewegung. Deren Begründer Rudolf Steiner, auch „der größte Esoteriker des 20. Jahrhunderts“ genannt, hielt nicht viel davon, Kinder zu kritischen Menschen zu erziehen: „Es könne einem Menschen nichts Schlimmeres zugefügt werden, als wenn man ihn zu früh an das Denken heranführe“ und „Erziehung hat sich als Inkarnationshilfe auszuwirken“. (zitiert aus Ursula Caberta: Schwarzbuch Esoterik)

Die Esoterik-Szene, die viele noch mit Flower-Power und 70-Jahre-Flair assozieren, ist längst von rechten Organisationen wie der Germanischen Neuen Medizin (GNM) unterwandert. So wie Scientology mit „Drogentherapien“ und der Verbreitung der Broschüren „Sag nein zu Drogen“ versucht, eine bestimmte Klientel zu erreichen, versucht die GNM mit Impf-Kritik neue Anhänger zu rekrutieren. Europaweit bekannt wurden GNM und ihr Begründer Ryke Geerd Hamer 1995 durch den Fall der damals sechsjährigen Krebspatientin Olivia Pilhar, deren Eltern eine lebensrettende Behandlung des Mädchens getreu den Regeln der GNM ablehnten. Das Kind überlebte, weil den Eltern das Sorgerecht entzogen wurde und so eine Operation mit anschließender Chemotherapie durchgeführt werden konnte. Mehrere Erwachsene sind gestorben, weil sie den abstrusen Heilsversprechen von Hamer geglaubt haben, die unter medizinischer Behandlung überlebt hätten.

„Hamer vermischt seine wunderlichen medizinischen Ansichten mit antisemitischen Verschwörungstheorien. Dies hat zur Folge, dass sich nicht nur hoffnungslos Erkrankte von dieser ‚Lehre‘ angezogen fühlen, sondern zusätzlich Sympathisanten rechter Theorien im Umfeld der GNM zu finden sind.“ (Caberta zitiert aus Alma Fathi: „Die ideologischen Hintergründe der Germanischen Neuen Medizin“)

Es ist dringend erforderlich, dass die Menschen, die sich gegenüber der wissenschaftlichen Medizin und der Pharmaindustrie ihre Kritikfähigkeit bewahrt haben, nicht weiter die Augen vor der Gefährlichkeit der esoterischen (sogenannten sanften, ganzheitlichen, alternativen) Medizin schließen.

(Teil 2 der Besprechung des sehr informativen Buches von Ursula Caberta „Schwarzbuch Esoterik“: KLICK .)

Der Text ist auch als Gastbeitrag in ScienceBlogs erschienen.

5 Kommentare zu „Schwarzbuch Esoterik – Teil 1

  1. nun, Engelsglaube und Co. sehe ich ganz klar unter der kuscheligen rosa Plüschflagge der Esoterik. Immer wieder großes Potential zur Belustigung. Akupunktur hat bei mir auch keinen Effekt gehabt. Homöopathie und Bachblüten wirken z.B. bei meinen Katzen, das würde ich persönlich aus der Kuschelwolke ausklammern wollen. Das kann aber natürlich daran liegen, daß Katzen eher Kumpane des Teufels sind und dieser wäre ja dann wieder in die Rubrik Esoterik einzuordnen, oder?

  2. Also ich hab mir vor langer Zeit mal ein Bein gebrochen. Da habe ich eine Banane gegessen, und siehe da – zwei Monate später konnte ich wieder laufen, mit Gips und Krücken natürlich.
    Ich weiß nicht, ob das ohne Banane auch geklappt hätte und ob das bei anderen ebenso funktioniert. Aber das ist mir auch egal, was interessiert mich Statistik und dieser Kram. Wer heilt hat recht, und bei mir war das Recht ganz eindeutig auf der Seite der Banane.

  3. Wie in anderen Bereichen des Lebens auch, profitieren die Esoteriker oftmals von der Orientierungslosigkeit ihrer Klienten. Die ‚Schulmedizin‘ zeigt ausreichend kritikfähige Seiten, so dass es den Menschenfängern und Verführern leicht gemacht wird, Argumente und Anhänger zu finden.

    Verlockend ist auch das ökonomische Potential der Esoterik. Man denke nur an das Geschäft mit Mineralen und Schmucksteinen! Solange sich das alles in harmlosen Bahnen bewegt, habe ich kein Problem damit.

    Bei Recherchen zu einem anderen Thema bin ich auch auf die sog. ‚braune Esoterik‘ gestossen und über die dort herrschende Geisteshaltung regelrecht erschrocken. ‚Braune Esoterik‘ schleicht sich sehr perfide an die Menschen heran und arbeitet mit einem grossen Netzwerk. Bei genauerem Hinschauen offenbart sich die Ideologie dahinter – aber viele wollen es anscheinend gar nicht so genau wissen.

    Richtig sprachlos war ich jedoch, als mir ein Vorfall im Bekanntenkreis geschildert wurde, der sich nicht an Ideologien festmachen lässt, sondern einerseits auf Geschäftemacherei und Spinnerei, andererseits an der Verzweiflung vereinsamter Menschen: Eine ‚Tierheilerin‘ hat via Telefon (!) den Gesundheitszustand einer Katze diagnostiziert (indem sie mit der Katze ’sprach‘) und dann das Einschläfern empfohlen. Diesem ‚Rat‘ wurde gefolgt…

  4. Wenn sich einer kritisch über Esoterik äußert, dann kommt immer das Kampfargument, der kennt sich nicht aus. Natürlich, denn wer sich wirlich auskennt, der würde doch NIEEEE negativ über diesen …. schreiben.
    Was solche Leute dann vergessen, dass es genug Aussteiger gibt, die genau das sagen was oben steht, und genau wissen wie das läuft. Zudem müssen genug Angehörige mit der täglichen Esoterik leben, also hat wohl fast jeder von uns eine Ahnung davon.

    Zudem ist es irgendwie interessant, dass die Schulmedizin auf der Schulmedizin rumhackt. Denn es ist eigentlich so, dass es (moderne) Medizin gibt und das die Alterantivmedizin der letzte Rest der Schulmedizin ist. Also immer schön auf die Schulmedizin schimpfen. Trifft eh nur die Alternativen und jene Teile der Medizin, die sowieso abgeschafft werden sollten.

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