„Für nur 397.000 Euro erwerben Sie in Harheim-Süd ein Reihenhaus mit 140 qm und 6 Zimmern. Der Stadtteil im Norden Frankfurts vereint die Idylle der Nidda-Aue mit den Annehmlichkeiten städtischer Infrastruktur. Das Besondere an diesem Angebot: Der Erbbauzins für die auf 99 Jahre von der Kommune verpachteten Grundstücke beinhaltet eine Rundum-Sorglos-Garantie.
Die Stadt Frankfurt stellt Ihnen die Infrastruktur bereit (z.B. moderne Kindertagesstätten, ausgebaute Grundschule, etc.) und verspricht gleichzeitig, alle gesellschaftlichen Probleme von Ihnen fernzuhalten. Mit Oberdachlosen, Drogenabhängigen, Flüchtlingen oder Armen werden Sie hier nicht belästigt. Genießen sie Deluxe-Wohnen in Harheim!“
So müssen die Immobilien-Anzeigen gelautet haben, auf die Hunderte von Harheimer Neubürger hereingefallen sind. Und jetzt das: Das Sozialdezernat plant eine Flüchtlingsunterkunft im Neubaugebiet.
Noch nie war eine Sitzung des Ortsbeirates so gut besucht, wie die gestrige Sondersitzung, bei der Manuela Skotnik vom Sozialdezernat, Kolja Müller von der Stabsstelle Flüchtlingsmanagement, Simone Zapke, Leiterin der Frankfurter Bauaufsicht, und ein Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes im Bürgerhaus Harheim zur Verfügung standen, um Bürgerfragen zur geplanten Wohnanlage für Flüchtlinge zu beantworten.
Die Stimmung im mit ca. 400 Besuchern vollbesetzten Saal war selbst für Harheimer Verhältnisse unter Niveau. Bier trinkend und grölend das Gebaren der überwiegend männlichen Harheimer bäuerlicher Herkunft, smart und mit geschliffenen Argumenten bestens vorbereitet die Harheimer Neubürger – vereint im Kampf für ein flüchtlingsfreies Harheim.
„Harheim ist einer der wenigen Stadtteile, in dem bis jetzt noch keine Flüchtlinge untergebracht sind“, erläuterte Manuela Skotnik und zeigte sich brüskiert von der ablehnenden Haltung: „Noch kein Frankfurter Stadtteil hat sich wegen einer geplanten Flüchtlingsunterkunft so aufgeregt.“
Die Harheimer CDU hingegen nutzte den bereits im Vorfeld erkennbaren Unmut, um ihrerseits mit einem Flugblatt die Stimmung der Bürger gegen eine Unterkunft weiter anzuheizen:
„Die sozialen und kulturellen Unterschiede im Baugebiet Harheim-Süd lassen eine Integration unter den Gesichtspunkten von etwa 675 Neubürgern zu 135 bzw. 180 von Obdachlosigkeit bedrohten Personen in dieser Größenordnung nicht zu, da eine divergierende Gemenge- und Interessenlage am Ende zu groß ist.“ (aus dem Schreiben der CDU-Fraktion Harheim vom 19.1.2016)
Für den jetzt beginnenden Kommunalwahlkampf lässt diese Argumentation der Christ-Sozialen Schlimmes befürchten.
Die Fragen der Neubürger bewegten sich im bekannten Rahmen: „Wir haben nichts gegen Flüchtlinge, aber warum hier?“; „Warum hat die Stadt uns nicht rechtzeitig und umfassend informiert, sie hätte uns emotional abholen müssen“; „Wir haben schließlich Kinder, können die dann noch allein in die Schule gehen?“ und natürlich „Wer kommt für den Verlust auf, wenn unsere Immobilie wegen der Flüchtlinge weniger wert ist?“
Es ist menschlich, auf das Fremde spontan mit Abwehr zu reagieren – aber wir sind zivilisatorisch nicht weit gekommen, wenn wir in diesem Impuls verharren.
Das Bild, das Harheim gestern Abend von sich gezeigt hat, war beschämend und armselig. Hoffnung gibt mir, dass im Laufe des Abends einige BürgerInnen ihre Unterstützung zur Integration der Flüchtlinge angeboten haben.
Vielleicht finden noch mehr BürgerInnen unseres kleinen Stadtteils den Weg von der Hysterie zur Empathie.
Guter Bericht! In der Hessenschau war die Rede von max. 120 geflüchteten Menschen. Deswegen machen (manche) Harheimer so einen Wind?!
Harheim ist ein kleines Dorf und seit jeher konservativ. Als die ehemals selbständige Gemeinde 1972 nach Frankfurt eingemeindet werden sollte, fuhren die Bauern aus Protest mit Jauche und Mist vor das Rathaus: LINK zur FR.
Würde das Dorf heute nicht zu Frankfurt gehören, wäre es für die Neubürger als Wohnort gar nicht interessant, denn eine so gute Versorgung mit Kitaplätzen v.a. für unter 3- und über 6-jährige könnte sich eine kleine Gemeinde gar nicht leisten.
Ja, ich denke, darüber habe ich schon mal einen Beitrag im TV gesehen. Ich musste wegzappen, weil mich die Äußerungen fast aller Befragten so wütend gemacht haben.
Die Hessenschau hat am Freitag über die Sitzung berichtet.
Ich hatte den Eindruck, dass sich unter das Publikum einige Neonazis und Pegidisten gemischt hatten, um die Stimmung anzuheizen. Neben mir saß eine Frau, die während der Ausführungen der Planer die ganze Zeit üble Bemerkungen abließ, z.B. „Die Asylanten kriegen auch noch einen Aufenthaltsraum für ihre Sexspiele“ und ähnliches.
Sicher wird die rechte Szene den Harheimer Aufruhr genau beobachten und für ihre Zwecke nutzen. Dann haben die Eigenheim-Besitzer ein richtiges Problem.
Ich glaube, das ist eine Sendung gewesen, die sich mit dem Rechtsdrall und den Vorurteilen gegenüber Flüchtlingen befasst hat.
Der Ortsbeirat 14 (Harheim) hat nach dem Informationsabend verschiedene Anträge beschlossen: Den CDU-Antrag, der den Magistrat auffordert, den vorgetragenen Plan nicht zu verwirklichen, sondern eine integrativ verträgliche Lösung zu finden und die Anträge von Grünen und SPD, die dem Projekt unter der Maßgabe zustimmen, dass lediglich Familien mit festem Wohnsitz einziehen. (LINK zur FR)
Wer sich dafür interessiert, welche Realisierungschance Anträge des Ortsbeirates haben, dem empfehle ich einen Blick auf die Seiten des Parlamentarischen Informationssystems Parlis und hier die Suche nach der Vorlagenart ST für Stellungnahmen. In diese Form werden die Antworten des Frankfurter Magistrats auf Anträge der Ortsbeiräte gegossen.
Nur wenige OBR-Anträge werden bewilligt, denn Stadtpolitik wird im Römer gemacht. Ortsbeiräte tun viel für ihre Nachbarn, haben auch den meisten Ärger – aber selten Erfolg.
Die AFD-Abspaltung Alfa hat einen Frankfurter Regionalverband gegründet. Vorsitzender ist einer der Harheimer Neubürger, die sich bei der beschriebenen Sitzung gegen die Unterkunft ausgesprochen haben, wie die Tagespresse heute berichtet: LINK zur FNP
Wird der Mann jetzt den Antifanten gemeldet, mit Adresse, Telefonnummer und wo die Kinder in den Kindergarten gehen?
Warum sollte jemand das tun? Selbst wenn in rückständigen Gebieten einige Wähler sich für 100%ige Herrenclubs entscheiden – das steckt die Demokratie weg.
„sie hätte uns emotional abholen müssen“
so wie den Rest-Müll?
Schade, dass deutsche Obrigkeitshörigkeit und Selbstüberschätzung („Wir schaffen das“ ~ „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“) die durch die Re-Education der US-Amerikaner gepflanzte zarte Pflanze der Demokratie niedertrampelt, kaum dass die Ami-Kasernen leer sind: es geht hier darum, dass ich angeblich in einer Demokratie lebe, doch nicht mitbestimmen darf, wenn 1. eine permanente Flüchtlingsunterkunft auf einem Areal, das gemäß Bebauungsplan für Altenwohnungen reserviert ist, gebaut werden soll (Verstoß gegen Satzungsrecht, Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben, ich weiss, für die gute Sache muss das Recht eben zurückstehen…) [Anmerkung: die Stadt überlässt das Grundstück dem DRK wohl kostenlos, das DRK muss die nächsten 15 Jahre, für die die Gebäude konzipiert sind, die Gebäude ausgelastet kriegen, wofür werden die wohl künftig Lobby-Arbeit betreiben?]. 2. Was ist das für eine Demokratie, in der eine einzige Frau darüber befindet, das Land seit über fünf Monaten mit Flüchtlingen, die sich fast ausschließlich aus Ländern, in denen sie bereits sicher waren, aufmachen, zu füllen. „Deutschland wird sich verändern“, in den nächsten zwei Jahren ca. 50 Mrd. staatl. Mehrausgaben und sehr viel mehr in den Folgejahren, die für mich über kurz oder lang einige hundert Euro mehr an Steueraufwand pro Monat bedeuten werden – und das ohne einen demokratischen Beschluss! Über die Köpfe der Bürger hinweg. Geradezu dienstbeflissen, die deutschen (Sekundär-) Tugenden geradezu triumphal auslebend. Merken Sie alle nicht, wie strukturähnlich das ist zum Kaiserreich oder zur DDR-Diktatur oder gar zu den 1000 Jahren dazwischen?
Ihrer Argumentationsfigur – die Sie als Vorsitzender von Alfa Frankfurt ja bereits ausführlich in der Frankfurter Neuen Presse gezeichnet haben – mangelt es an Hand, Fuß und vor allem an Herz.
Das deutsche Asylrecht wurde ins Grundgesetz aufgenommen, weil im 2. Weltkrieg 700.000 in ihrem Heimatland vom Tode bedrohte Deutsche in anderen Ländern Schutz suchten. Ihr Vergleich ist deshalb perfide.
Ob ein Neubauviertel am Rande eines Dorfes, in dem tagsüber nur alle halbe Stunde die Busse zur S- oder U-Bahn in die benachbarten Stadtteile verkehren und es weder Bank, noch Bankautomat, noch Cafe, noch Bücherei o.ä. gibt, ein guter Standort für eine Wohnunterkunft ist, wage ich auch zu bezweifeln. Aus dem gleichen Grund gibt es auch kein Interesse alter Menschen an einem Seniorenheim in Harheim.
An dem Fakt aber, dass Frankfurt Unterkünfte für Schutzsuchende bereit stellen muss und Harheim hierfür eine bebaubare Fläche bietet, ändert das nichts. Von allen Frankfurtern ist hier Solidarität zu erwarten.
Kaum jemand spricht über die Attacken auf Flüchtlingsheime: http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/monitor/videosextern/fast-unbemerkt-die-taeglichen-attacken-auf-fluechtlingsheime-100.html