„Alle große politische Aktion besteht in dem Aussprechen, was ist, und beginnt damit.“ (Ferdinand Lasalle)
Sagen was ist – aber wie? Worte können Waffen sein, sie manipulieren, sie hetzen gegen Minderheiten auf, sie verringern Komplexität, worauf gerade der Pegidist in Sachsen und anderswo angewiesen ist. Während Pegida überwiegend auf nationalsozialistische Wortschöpfungen zurückgreift, ist die politische Machtelite kreativer im Finden kurzer Wortformeln.
Stephan Hebel und Daniel Baumann, Journalisten der Frankfurter Rundschau, haben darüber ein Buch geschrieben und es vor wenigen Tagen im Haus am Dom vorgestellt: „Gute-Macht-Geschichten. Politische Propaganda und wie wir sie durchschauen können“ (Westend Verlag, Frankfurt).
Bascha Mika, Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau, Andrea Ypsilanti, (SPD-Landtagsabgeordnete und im Vorstand des Instituts Solidarische Moderne aktiv) und die beiden Autoren Hebel und Baumann stellten jeweils einen im Buch behandelten Begriff vor. „Schwarze Null“, „Sozial Schwache“, „Wettbewerbsfähigkeit“, „Geringfügige Beschäftigung“. Diese und andere Begriffe, die täglich in den Nachrichten erscheinen, wurden im Buch von den Autoren analysiert und dabei der propagandistische Kern offen gelegt.
Sicher ein lobenswertes Unterfangen und ein gutes Buch, dennoch regte sich in mir zunehmend Widerstand während der Veranstaltung. Das lag vor allem an Bascha Mika, die mir bereits mit ihrem Buch „Die Feigheit der Frauen“ negativ aufgefallen ist und für deren Lesart des Feminismus die Journalistin Antje Schmelcher die treffende Bezeichnung “Marktkonformer Großraumbürofeminismus” gefunden hat.
Als Stephan Hebel darauf hinwies, dass im hektischen Redaktionsalltag auch FR-Journalisten gelegentlich die angeprangerten Begriffe benutzen, meinte Mika zum Publikum: „Wenn Sie solche Propagandabegriffe bei uns lesen, dürfen Sie uns mit Fug und Recht Leserbriefe schreiben“. Zeitdruck, Redaktionsschluss und generell die schwierigen Arbeitsbedingungen der Presse führten dazu, dass Journalisten selber auf propagandistische Formeln herein fielen.
Da dachte ich: Es müsste ein Internet erfunden werden, ein Forum, zu dem alle Menschen Zugang haben, wo man ohne Zeilenbegrenzung und Redaktionsschluss veröffentlichen kann, wo ein Klick zu neuen Wissenswelten führt, wo man Teil einer Community ist, die sich ständig austauscht über Propaganda und ihre Begriffe, für Eilige könnte man einen Kurznachrichtendienst erfinden, und JournalistInnen und LeserInnen würden miteinander kommunizieren, auf Augenhöhe, und keine Chefredakteurin traute sich mehr, ihre Leserschaft von oben herab zu behandeln. Andrea Ypsilanti hätte keinen Grund, sich über die mangelnde Präsenz alternativer Diskurse in der Frankfurter Rundschau zu beschweren, weil die Frankfurter Rundschau als unabhängiges Qualitätsmedium gerade solche Diskurse begleiten und vernetzen würde….
Ja schön wärs.
Ach, wie schön, so eine große Utopie habe ich gesucht heut abend. 😉 Und wenn wir dann in diesem Internet – wenn es das mal geben wird – noch die PR- und Werbeleute ausschließen, damit sie ihre Propaganda für sich behalten mögen, dann könnte ich mir sogar vorstellen, daß es klappen könnte, das mit der Augenhöhe und so. Sag mir bitte Bescheid, wenn es soweit ist. 😉 – Im übrigen: Frohe Ostern! 🙂
Dir auch frohe Ostern, Jürgen.
Oh, danke für den Buch-Tipp! Das kommt garantiert auf meine Muss-Lesen-Liste, und zwar ganz nach oben.
Ich hab auch noch ein paar:
Vergewaltigung – Übergriff
linke Gewalttäter – Aktivisten
lemminghafter Konformismus – Zivilcourage
freie Meinungsäußerung – Provokation
Hauptsache ich bleibe Kanzlerin – Wir schaffen das!
Na dann mal ran an die Recherche-Arbeit. Einfach die Begriffe so hinwerfen, das gefällt vielleicht Ihrer Facebook-Comunity oder in welcher FilterBubble Sie sich sonst bewegen, aber für einen konstruktiven Blog-Kommentar ist das zu wenig, @ohmydear.
Nicht nur Kapitalisten und Antifeministen wissen, wie Wörter den Verlauf einer Debatte bestimmen. Auch Linke können das – natürlich ausschließlich zum Wohle der Menschheit 🙂 Die ganze Flüchtlingsdebatte („Schutzsuchende“, „unbegleitete Minderjährige“, „Schießbefehl“,…) ist ein einziges Beispiel dafür.
Und Sie? Sagen was ist? Ja wo denn? Köln? Ach, auch die GIs in Friedberg haben vor 30 Jahren schon Frauen belästigt? Na dann…
Sprachkritik von Jan Böhmermann:
Oh Gott, ist der Typ schlecht
Jede andere Reaktion von Ihnen hätte mich auch irritiert. Ich steh total auf Böhmermann!