Der gespaltene Bürger: Protest gegen Neubauprojekt

„Das Versprechen, die Glückseligkeit der Gegenwart zu verlängern, führt zu einer Vernachlässigung der Zukunft“ (Philosoph Dieter Birnbacher)

Es war eine kleine Sensation, als im März 2012 Peter Feldmann (SPD) die Oberbürgermeisterwahl gegen Boris Rhein (CDU) gewann. Der Sozialpolitiker Feldmann, der im Frankfurter Stadtteil Bonames groß geworden ist und dort viele Jahre eine Jugendeinrichtung leitete, war bis dahin in der Frankfurter Bevölkerung weitgehend unbekannt. Dass er dennoch die Frankfurter WählerInnen überzeugte, lag an seinen Themen soziale Gerechtigkeit und bezahlbarer Wohnraum. In seinem Heimatstadtteil Bonames errang Feldmann mit diesem Schwerpunkt über 60 Prozent der Stimmen.

Feldmanns Engagement für mehr Wohnraum führte dazu, dass die schwarz-grüne Stadtregierung lange liegen gebliebene Planungen, wie z.B. das Neubaugebiet Bonames-Ost („Am Eschbachtal – Harheimer Weg“) nach 13 Jahren Stillstand wieder aufnahm und neu bearbeitete. Olaf Cunitz, Frankfurts grüner Planungsdezernent, hat dabei nicht nur die alten Planungen übernommen, sondern nachverdichtet, was angesichts von ca. 30.000 Wohnungen, die in Frankfurt fehlen, auch geboten war.

Die Bonameser aber, die doch ihren Peter Feldmann gewählt haben, damit mehr Wohnraum in Frankfurt gebaut wird, schrien auf: Aber doch nicht bei uns, doch nicht vor meiner Haustür! Und gründeten flugs eine Bürgerinitiative für „Ein liebenswertes Bonames“.

Vor einigen Tagen hat die Initiative einen offenen Brief an den Städtebaulichen Beirat der Stadt Frankfurt formuliert, der es angesichts der Nachrichtenflaute zwischen den Jahren auch in die Tagespresse schaffte. Von einer „Einbetonierung“ des Stadtteils ist da die Rede und der befürchteten „dramatischen Umweltbelastung“ durch die insgesamt 2.000 neuen Wohneinheiten. Bedauert wird die Zerstörung der „wunderschönen Landschaft, herrlicher Auen, Natur und Tier, Rad-und Spazierwege, frischen Luft und blühenden Obstgärten“.

Bisschen übertrieben – aber ja, verglichen mit dem Fluglärm verseuchten Süden leben wir im Frankfurter Norden im Paradies. Wäre es da in christlicher Barmherzigheit, die der Bürger doch gerade noch besungen hat, nicht angebracht, noch ein paar Menschen aufzunehmen? Aber nein, genau wie beim Ausbau der S-Bahn-Strecke S 6 nach Bad Vilbel interessiert den Wutbürger nur sein eigener Vorgarten.

Planungsdezernent Cunitz sieht aber dem Wutbürgerprotest gelassen entgegen. Anfang Dezember zitiert ihn das Journal Frankfurt:

„Bonames-Ost ist ein Beispiel dafür, dass Baulandgewinnung nicht ohne Konflikte möglich ist. (…) Wir als Magistrat sehen uns als Lobby für die, die Wohnraum brauchen und suchen. Wenn wir uns darum nicht kümmern, werden Verdrängungen stattfinden.“ Immer mehr Menschen seien dann auf Sozialleistungen angewiesen und würden aus angestammten Wohnquartieren verdrängt werden. „Wir können nicht alles ans Umland abwälzen. Denn das fördert auch Pendlerströme.“

Dabei profitieren die Anwohner durch die Neuansiedlung: Sie bekommen einen neuen U-Bahnhalt und damit eine weitere Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, von der die benachbarten Stadtteile Harheim und Nieder-Erlenbach nur träumen können. Dort muss der umweltbewusste Mensch mit dem privatisierten Busverkehr leben, der außer in den Stoßzeiten nur alle 30 Minuten fährt.

Schade, dass die schwarz-grüne Stadtregierung nicht die Gelegenheit zu einem wirklichen Zukunftsprojekt genutzt hat und das Neubaugebiet zum autofreien Viertel erklärt hat. Für ein solches ökologisches Vorzeigemodell wäre das Neubaugebiet „Am Eschbachtal – Harheimer Weg“ bestens geeignet: Neben der perfekten Verkehrsanbindung verfügt der Stadtteil über gute Nahversorgung und eine fußnahe Kinderbetreuung.

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