„Du fehlst“ von Joyce Carol Oates

„Diese Geschichte handelt von meiner Mutter, davon, dass sie mir fehlt. Und auf eine sehr persönliche Weise wird das eines Tages auch Ihre Geschichte sein“.

Über Mütter und Töchter ist schon viel geschrieben worden. In Marilyn Frenchs Romanen war das Mutter-Tochter-Motiv häufig das zentrale Thema, nicht nur in ihrem 1993 erstmals erschienenen Roman „Tochter ihrer Mutter“, sondern auch in ihrem berühmtesten Werk „Frauen“. Ich erinnere mich an die Lektüre von Jelineks Roman „Die Klavierspielerin“ und Waltraut Anna Mitgutschs Buch „Die Züchtigung“, beide schildern das Leiden der Tochter unter einer schwierigen bzw. grausamen Mutter.

In der feministischen Hochzeit der 70er und 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war es Usus, sich von der Lebensweise der Mütter zu distanzieren. Wer selbst für mehr weibliche Freiheit kämpfte, konnte die Unterordnungsbereitschaft der Mütter nur schwer ertragen. Wobei den Töchtern die Stärke ihrer Mütter und die Schwäche der Väter nicht entging, aber offiziell wollten beide an der herrschenden Rollenverteilung festhalten. Dafür hatten die feministischen Töchter nur Verachtung übrig.

Joyce Carol Oates hat einen Roman über den Verlust der Mutter geschrieben. Die Trauer über den gewaltsamen Tod der Mutter verändert das Leben der beiden Töchtern Nikki und Clare vollständig. Als die Mutter stirbt, geht beiden der Bezugsrahmen ihres eigenen Lebens verloren. Die ältere und fügsame Tochter Clare bricht aus ihrer Ehe aus, die wilde Nikki zieht zurück ins Elternhaus und lernt, Brot zu backen, wie einst die Mutter. Beides soll helfen, die verlorene Nähe wiederherzustellen. Erst nach deren Tod lernt Nikki ihre Mutter wirklich kennen, erfährt durch alte Briefe und Gespräche mit Freundinnen der Mutter ihre unbekannte Seiten.

Das ist ein besonderes Buch. Ein Buch über die Liebe zur eigenen Mutter, ohne die üblichen Abwertungsversuche. Ein Buch „über das erste Jahr, in dem meine Mutter mir fehlte.“

„Du fehlst“ von Joyce Carol Oates, 488 Seiten, Verlag: Fischer (Tb.) ISBN-10: 3596173493, ISBN-13: 978-3596173495

2 Kommentare zu „„Du fehlst“ von Joyce Carol Oates

  1. Aus der Bibliothek brachte ich mir „Zombie“ von J. C. Oates mit, vom Thema her ganz anders als „Du fehlst“. Mich hat die Autorin mit diesem Portrait eines Psychopathen beeindruckt. Als ich „Du fehlst“ dann günstig bekommen konnte, habe ich zugegriffen. Jetzt bin ich schon gespannt. LG Heike

    1. Das Buch wird dir bestimmt gefallen! Es ist sehr berührend, denn schließlich sind wir alle Töchter einer Mutter, die uns irgendwann verlässt.

      Noch einen schönen verschneiten Sonntag, LG Carmen

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